Schicht / Schichten

Nach Berlin, London und New York lebt und arbeitet Liselotte Bombitzki jetzt in Minden, wo sie ihren DS9 Kunstraum betreibt. Ihr Ziel ist es, die großzügige gestische mit der gewissenhaft realistischen Malerei zu kombinieren. Die Freiheit des abstrakten Malens war für sie von Anfang an anziehend; sie setzt die Farbfelder nebeneinander, übereinander, gegeneinander, um ihren Charakter kennenzulernen. Die Malerin hält eine konzentrierte Spannung, damit sich das Bild nicht verirrt. Mit diesem Arbeiten in Schichten greift sie in der Natur oder der Gesellschaft vorkommende Schichtungen auf, macht sie zu ihrem Thema, schafft so detail­genaue Ausschnitte aus der Wirklichkeit, dokumentiert und interpretiert sie: ihr detailgetreuer Pumps mit Stöckelabsatz aus dem Jahr 2020 trägt den kritischen Titel „Must have!“

BÜZ-Galerist Peter Küstermann stellte anlässlich der letzten Vernissage des Jahres 2023 die vor drei Jahren aus Duisburg zugezogene Malerin Liselotte Bombitzki vor, die von 2015-2020 in Essen ein Kunsthochschulstudium absolvierte.

Das BÜZ hatte sich vor allem Exponate aus dem Schaffen der früher hauptberuflich als Journalistin und Pressesprecherin tätigen Neu-Mindenerin ausgesucht, die einen Bezug zur sozialen Schere in unserem Land haben: die in Öl, Ei und Tempera in mehreren Schichten aufgetragenen Farben fügen sich zu gegenständlichen, und wie Küstermann ausführte, geradezu altmeisterlich gemalten Szenen, die nicht nur Fantasie-Spiel-Räume eröffnen, sondern auch unbequeme Schlaglichter auf Obdachlosigkeit einerseits und überbordenden Reichtum andererseits werfen.

Exemplarisch findet sich diese gesellschaftliche Dichotomie an der besonders exponierten linken Seitenwand des BÜZ-Ausstellungsraumes in der Johanniskirche wieder: die beiden Bilder einer kauernden Unbehausten und eines mit ihren wenigen Habseligkeiten gefüllten Einkaufswagens kontrastieren mit zwei weiteren – einer weiß behandschuhten Lakaienhand, die einen Wagenschlag öffnet und einem glänzenden grünen Stöckelschuh, „Must Have“ betitelt.

Die ironisierenden Titel, die sich Lilo Bombitzki zu ihren Bildern einfallen lässt, weisen auch bei weniger explizit sozialkritischen Motiven in eine entsprechende Richtung, etwa bei den zunächst wie eine Reminiszenz an eine untergegangene heile Welt anmutenden Kühen, die sie augenzwinkernd „Doppelrahmstufe“ getauft hat. Dennoch sieht sich Bombitzki nicht in erster Linie als politische Künstlerin, das BÜZ hat hier augenscheinlich als „die“ soziokulturelle Institution Mindens eine Art Herzensauswahl aus dem Œuvre der Künstlerin getroffen.

Auch physisch-maskuline Gewalt etwa wird mit einem Bild ironisch kommentiert, das eine kopflose Männerfigur in rosa Haus- und Handschuhen mit Putzeimer und camouflageverziertem Schrubber zeigt.

Die Vernissagen im BÜZ zeichnen sich von jeher dadurch aus, kleine Gesamtkunstwerke zu sein: Literatur und Musik begleiten auf den Matineen stets kongenial die gezeigten Bilder. So waren diesmal die Mindener Autorin Birgit Oldenburg und der Pianist Gregor Lax eingeladen. Oldenburg (die auch selbst schon als bildende Künstlerin erfolgreich im BÜZ ausgestellt hat) las eine extra für diesen Anlass geschriebene leise und nachdenkliche Geschichte vor, die sich rein fiktional eng an die Obdachlosen-Motivik Bombitzkis anlehnte. Gregor Lax verzauberte mit von Jazz und Klassik inspirierter Instrumentalmusik und eigenen Songs, die er mit dem ihm eigenen rauchigen Timbre vortrug.

Anschließend an den Bühnenteil hatten die zahlreichen Besucher Gelegenheit, persönlich mit der Künstlerin ins Gespräch zu kommen. Die aktuelle Ausstellung ist noch bis zum 04. Dezember 2023 jeweils bei den laufenden Veranstaltungen im BÜZ zu sehen.

Marcus Neuert

Diesen wunderbaren Text hat uns Birgit Oldenburg freundlicherweise zur Verfügung gestellt. Das Copyright liegt aber selbstverständlich bei ihr. Wir möchten Sie bitten, im Falle einer gewünschten Lesung oder Weiterverteilung zuerst Kontakt zur Künstlerin aufzunehmen!

www.birgitoldenburg.de